Haltung und Humor

Wer was auf sich hält, zeigt Haltung. Er ist auf seine Ehre und Würde, sprich seinen Stolz und Dünkel, bedacht und wahrt Coolness, Contenance. Leider geschieht das meist ziemlich verbissen, was bestenfalls zu Muskelverspannungen und in ernsten Fällen zu irreparablen Schäden des Bewegungsapparates und Verkrampfungen im Hirnbereich führt.

Deshalb ist es angeraten, die relaxierende Wirkung des Humors zu bedenken und die Haltungsbemühungen, die ohne Humor in den allermeisten Fällen kindisch und albern daherkommen, nicht nur humoristisch zu verkleiden, sondern vielmehr hauptsächlich aus Elementen des Humors zu gestalten. Diejenigen, die von Natur aus oder durch bittere Erfahrung eher zum Ernsten und zur Leichenbittermiene neigen und sich das gemessen Gravitätische so angewöhnt haben, daß sie nur schwer davon lassen können, haben die Möglichkeit, mit einem Kunstgriff am humoristischen Bemühen um Haltung teilzuhaben, indem sie inneren Humor entwickeln, ohne ihr äußeres Erscheinungsbild zu verändern.

Das ist allerdings die perfideste Art von Humor, und deshalb werden solche Humorwandler sowohl von den Humorlosen wie auch von den Humoristen meist argwöhnisch beäugt und nicht selten gemieden.

Über Dünkel

Wenn ich mich einem andern unterlegen fühle, ist das ein normales Gefühl, das ich zum Beispiel dann entwickle, wenn ich Gedichte von Gottfried Benn oder Einsteins Schriften lese oder mir sitzend auf dem Zahnarztstuhl die Struktur des Nervensystems im Kiefer erklären lasse. Ich habe genügend Selbstbewußtsein, um zu akzeptieren, daß andere etwas besser wissen oder besser können als ich. Und ich habe genügend Verstand, um zu begreifen, daß Menschen unterschiedliche Begabungen haben. Und wenn ich noch solange übe, ich werde nie Gitarre spielen können wie Mr. Hendrix oder eine Figur verkörpern wie Bruno Ganz.

Nun auf die Idee zu kommen, etwa im Gespräch mit Bruno Ganz diesem Dünkel unterstellen zu wollen, also eine übertriebene Selbsteinschätzung, weil er meine Meinung übers Theater nicht teilt, das käme mir komisch vor. Mag sein, daß das, was er sagt, bei mir Nachdenken auslöst und meine Meinung modifizieren hilft, mag aber auch sein, daß sich meine Auffassungen nicht verändern, wie auch immer, aber ihm Dünkel unterstellen, nein. Wie käme ich dazu?

Wer andern Dünkel unterstellt, leidet ebenso wie der dünkelhafte Mensch: Es sind die Gefühle von Minderwertigkeit, meistens uneingestanden, die solchen Unterstellungen zugrunde liegen. Und nicht selten ist es gerade der wahrhaft dünkelhafte Mensch, der andern Dünkel anreden möchte.