Über Kritik

Da wir in unserem fortgeschrittenen Denken beim Pluralismus der Perspektiven angekommen sind, sollten wir diesen auch bei der Kritik anwenden: Es gibt viele Formen von Kritik, und wir müssen in jedem einzelnen Fall herausfinden, ob die Kritik Wert für uns oder an sich hat oder nicht. Auch die Frage, ob eine Kritik „akzeptabel“ ist oder nicht, hängt ab von den Maßstäben, die wir anlegen, um Kritik zu beurteilen. Eine inhaltlich wertvolle Kritik kann ebenso unakzeptabel sein, zum Beispiel in der Form, wie eine von geringem Wert akzeptabel.

Einen allgemeingültigen Maßstab für Kritik gibt es nicht. Am besten scheint mir jedoch solche Kritik zu sein, die sich offen zeigt für jede Form der Kritik an der Kritik. Obgleich auch die selbstkritische Kritik alles Recht hat, auf exogene Kritik kritisch zu reagieren. Eine Kritik, die Kritik auszuschließen versucht, verliert ihr Recht.

These – Antithese – Synthese, das ist ein guter Weg, vorausgesetzt, die Synthese gebiert neue Thesen und Antithesen und erstarrt nicht in Selbstgefälligkeit.

Wie das Denken allgemein, so ist auch Kritik als Prozeß zu betrachten und nicht als Endpunkt eines Prozesses.

Kritik und Kreativität

Wenn es etwas zu kritisieren gibt, wird auch der Unkreativste kreativ. Vor allem dann, wenn er etwas nicht verstehen will, weil es gegen seine eingeschliffenen Überzeugungen gerichtet ist. Dann ist kein Mittel zu billig, keine Unterstellung zu abwegig, um nicht mit viel Brimborium geäußert zu werden.

Der Stillose entdeckt plötzlich seinen Sinn für den Stil (des zu Kritisierenden), und der grobschlächtig Argumentierende reagiert hypersensibel auf rhetorische Wackeligkeit (beim anderen), wenn er schon keine offensichtlichen Rechtschreib- oder Grammatikfehler findet. Und am Ende glaubt der Kritiker des Kreativen tatsächlich, er selbst wäre der eigentlich Kreative. Dagegen hilft nur eines: die Kritik des Kreativen, die kreative Kritik der Kritik.

Puzzeln

Im Leben wie auch in der Kunst sollte man beim Puzzeln vielleicht innovativ sein und mehrere Puzzles zu etwas ganz Neuem zusammenfassen, ganz im Sinne des radikalen Expressionismus: (Lebens-)Kunst als Montage. Und manchmal wird aus zwei oder mehreren Puzzles eine Collage neuer Qualität, fernab der Reproduzierbarkeit üblicher zerschnittener und wieder zusammengesetzter Bilder. Es gibt viele Formen von Avantgardismus, die sich im postmodernen Sinne weiterentwickeln ließen. Warum nicht mal im persönlichen Leben?