Mit Kot werfen

Die Praxis der Cancel Culture wurde von Affen erfunden, die es leid waren, daß die Menschen ihnen ständig ihre Bananen wegfressen, obgleich das Verzehren von Bananen eindeutig Affensache ist und das Verhalten der Menschen eine ungebührliche kulturelle Aneignung. Da darf man als Affe auch mal seinem Unmut Luft machen und mit Kot werfen.

Laster

Der Jahresbeginn ist die Hochzeit der (zumindest vorübergehenden) Lasterbekämpfung. All die guten Vorsätze wollen in die Tat umgesetzt werden. Weshalb aber bekämpft jemand seine Laster? Nun, die Antwort ist einfach: damit er mehr Zeit und moralische Rechtfertigung gewinnt, sich über die Laster der anderen zu echauffieren. Wenn es auch nur selten gelingt, den eignen guten Vorsätzen gerecht zu werden, die Aufregung über die moralische Fehlbarkeit der anderen wird durch diese Mißerfolge eher zunehmen und sich im Laufe der Jahre so verdichten, daß ein neues Laster entsteht: das Laster der Intoleranz. Ja, der Vorrat an Duldsamkeit ist begrenzt, und die meisten Menschen benötigen zunehmend so viel Indulgenz für sich selbst, daß für andere immer weniger übrigbleibt. Die Positition des gütigen Beichtigers ist so verwaist, wie das Wort »Beichtiger« veraltet ist.

Rassismus?

Wenn ich zurückdenke, dann erinnere ich mich noch gut daran, wie versucht wurde, mir mit Gewalt die Haare zu schneiden, wie ich in meiner Jugend als Gammler beschimpft wurde, als Abschaum der Gesellschaft und Ähnliches. Das war nicht schön, doch das hatte etwas mit Angst vor kultureller Diversität zu tun und mit dem Glauben an gottgegebene, allgemeingültige Werte, den man bedroht sah. Diese Werte haben sich inzwischen weitgehend als hohl erwiesen und erledigt.

Natürlich war das eine Unverschämtheit, wie man mir damals gegenübertrat, intolerant, dumm, ignorant. Aber rassistisch? Welche Rasse repräsentierten diejenigen, die mich beschimpften und zu unterdrücken versuchten? Ist Dummheit ein Rassemerkmal? Sind lange blonde Haare ein Rassemerkmal? Sicher nicht.

Auch ein Kopftuch ist kein Rassemerkmal.

Wenn man jegliche Xenophobie und Intoleranz, Dummheit und Ignoranz eilfertig als Rassismus bezeichnet, dann relativiert und verharmlost man den wirklichen Rassismus.  

Tagesschau

Was ist anständig?

Ist es anständig, wenn ich dafür sorge, daß mein jazzliebender Nachbar mal anständige Musik zu hören bekommt, indem ich Black Sabbath auflege und meine 300-Watt-Anlage anständig aufdrehe? Ist es anständig, wenn ich dem Vegetarier eine anständige Haxe serviere, damit er mal was Anständiges zu essen bekommt? Ist es anständig, wenn ich dem Kiffer Wodka aufdränge, damit er mal anständig besoffen ist? Ist es anständig, wenn ich Kurzhaariger dem Langhaarigen einen anständigen Haarschnitt verpasse? Ist es anständig, wenn ich dem Nichtkatholiken klarmache, er sei ein Heide und brauche eine anständige Religion?

Derartige Anständigkeiten sind oder waren anständig verbreitet. Es scheint Sitte unter Anständigen zu sein, anderen ihre Art Anständigkeit aufdrängen zu wollen. Vor allem die ganz Anständigen scheinen so von sich überzeugt zu sein, daß sie es nicht ertragen können, wenn andere nicht in den Genuß dieser Anständigkeit kommen. Möglicherweise ist die Ursache ihres Sendungsbewußtseins aber eher ein klitzekleiner Selbstzweifel, der immer dann hochkommt, wenn sie mit einer anständigen Unanständigkeit konfrontiert werden. Oder mit einer anderen Farbe der Anständigkeit.