Die Karikatur der Nacktschnecken

Schon erstaunlich. Als das elektronische Ganzkörperpetting mit an der Realität orientierten bildgebenden Verfahren zum ersten Mal eingeführt werden sollte, gab es einen Aufschrei der Empörung, und beinahe alle, außer denen mit Idealmaßen, befürchteten, auf diese Weise nackt zur Schnecke gemacht zu werden. Nun, da die modifizierten Scanner die Menschen in geschlechtslose Strichmännchen umzuformulieren versprechen, regt sich nicht mehr viel. Durch die virtuelle Reduktion zur asexuellen Karikatur scheint sich niemand so recht verletzt zu fühlen.

Cellulite

Früher dachten Frauen beim Betrachten ihrer Oberschenkel daran, daß sie mal wieder eine Orange essen könnten, seit dem Aufkommen der Illustrierten haben sich die Assoziationen verändert und wurden durch massive Werbung weg vom hemdsärmeligen Obsthändler zu den freundlichen Lebensrettern in weißen Kitteln gelenkt, die allerlei sanfte Cremes mit Drahtbürsteneffekt anpreisen. Pharmazie ist einträglicher als der Handel mit Obst. Und auch die Kinder des Obsthändlers würden wie die des Apothekers lieber Pharmazie studieren, statt sich mit Karpologie zu befassen – wenn man sie ließe. 

Körpergefühl

Ausgezeichnete Therapie zur Korrektur eines fehlerhaften, nur gedachten Körpergefühls: eine Runde Tennis oder Badminton. Hinterher weißt du: Die Arme sind kürzer, als du dachtest, und die Beine schwerer.

Und schmerzlich wird dir bewußt: So mancher Muskel kann äußerst ungehalten werden, wenn du ihn plötzlich und unerwartet in seinem Dauerschlaf störst.

Über den Körper

Sie sind im Irrtum, all diese Erweckten und Erwachten, Erleuchtungsgierigen, die sich mühen, das als Verschmutzung ihres spirituellen Kerns empfundene körperliche Sein mit seinen Gelüsten und Ausdünstungen, mit seinen Verschleimungen und Abwässern, seinem Darmgeruch abzustreifen wie eine Larve, und versuchen, das, was sie unter Reinheit verstehen, durch Meditation herzustellen, herbeizutranszendieren.

Transzendieren ist keine ganzheitliche Metamorphose, sondern nur eine spezifische Art suggestiver Selbstinszenierung des Gehirns. Ganz so wie auch andere Versuche, den Körper unter Kontrolle zu bringen, ob nun durch religiöse Riten mit Selbstkasteiung oder Extrembergsteigerei, die moderne Medizin oder militärischen Drill.

Wir sind phylogenetisch weit entwickelt und seit langem über das Amphibienstadium hinaus und auch keine parasitären Würmer (jedenfalls nicht alle), und wir haben keine larvalen Organe, die abgestoßen oder resorbiert werden und durch funktionsfähige adulte Organe ersetzt werden können, die irgendwo im verborgenen angelegt sind.

Unser Körper läßt sich zu Höchstleistungen anregen oder zwingen, wir können auf meditativem Wege oder mit Hilfe der Pharmakologie oder der Chirurgie in seine Funktionen eingreifen oder uns so weit versenken, daß wir unsere Leiblichkeit zeitweise nicht mehr spüren. Aber wir können sie nicht abstreifen wie Falter ihr Verpuppungsmaterial.

Wir haben nur diesen einen Körper, und es bleibt dem Tod überlassen, was er damit metamorphisierend anstellt, wenn er uns holt. Was dann geschieht und ob dann mit uns etwas anderes geschieht als mit den Blättern im Herbst, wissen wir nicht, und es liegt weder in unserer Hand, darauf einzuwirken, noch es zu verhindern.

Esoterische Ganzheitlichkeit

»… So ist der Körper – ein Vehikel. Aber etwas Tieferes als der Körper ist da, etwas Höheres als der Körper ist vorhanden – etwas von der Totalität. Ein Fenster hat sich in die Ganzheit geöffnet.«

Als ich vor 40 Jahren in der Pubertät Plotin las mit seinen platonischen Vorstellungen vom Körper als Kerker der Seele, konnte ich das damals mühelos nachvollziehen und dem vehement beipflichten, stand ich doch mit meinem eigenen Körper wie die meisten Pubertierenden auf Kriegsfuß. Heute aber habe ich eine ganzheitliche Betrachtungsweise, und ich sehe den Körper eher als Verkörperung meiner und seiner selbst. Und wenn etwas klirrt und rattert, dann klirrt und rattert es bei mir selbst. Das auf jemand anderen zu schieben ist so einfach wie unoriginell. Und ein Beitrag zur Theorie der Schizophrenie. Wer das lebendige Seiende in Körper und Seele aufspaltet, ist von einer ganzheitlichen Betrachtungsweise weit entfernt. Merkwürdig nur, daß die meisten der lauthals Ganzheitlichen dies nicht bemerken. Sie reden von Ganzheitlichkeit und verachten doch ihren Körper.

Und wer ganz genau hinschaut, der vermißt bei dieser Art esoterischer Ganzheitlichkeit noch eines, was zur wirklichen Ganzheitlichkeit unbedingt dazugehört: den Geist.